Myra und der Nikolaus.

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Feb 262014
 

DSC01972297. Reisetag

9723 km

 

Um weiter in meine vorgesehene Richtung fahren zu können muss ich die Bergkette hinter der Stadt überqueren. Es geht gleich am Morgen steil 500 Meter in die Höhe. Der Asphalt ist sehr rauh, dass erschwert die Fahrt zusätzlich. Hinter der Hügelkette gelange ich in ein Bergland und pendele über 40 Kilometer auf und ab. Beim Hochfahren scheint die Sonne. Im Hügelland brauen sich die Wolken zusammen und ein leichter Regen setzt ein. In den Senken wird Ackerbau betrieben, ich sehe das Grün der Weizenfelder. Ansonsten durchfahre ich ein karges Hügelland mit vielen Steinen. Immer wieder gibt es Wegweiser, die auf antike Städte hinweisen, einige Kilometer abseits meiner Straße. Lasse mich nicht vom Weg abbringen. Einige Steinsarkophage stehen einfach so in der Landschaft.

Ein Autofahrer überholt mich einige Male, hält an und ich fahre vorbei. Dann halte ich an und mache ein Foto, er hält auch. Er spricht mich an, verstehe aber nicht direkt sein Anliegen. Dann wird es klar. Er hat die regenbogenfarbige Friedens-Fahne an meinem Rad gesehen und diese für die regenbogenfarbige Gay-Fahne gehalten. Die sehen auch verdammt ähnlich aus, werde sie demnächst entfernen. Und ich verstehe auch jetzt Gay. Auf meine Antwort No-Gay ist er weitergefahren.

Am Ende des Berglandes erwartet mich wieder eine steile Abfahrt hinunter ins Tal. Ich sehe unter mir die Küstenlinie und eine Ebene. Dicht an dicht stehen die Gewächshäuser. Dazwischen ragen die Häuser der Stadt Demre in die Höhe. Die Sicht ist wie aus einem Flugzeug beim Landeanflug.
Demre war in lykischer Zeit (und später in der römischen) die Stadt Myra. Im 4. Jh. residierte hier der Bischof, der als hl. Nikolaus in die Geschichte einging.

Heute hat die Stadt außer den Altertümern wenig zu bieten. Sie besteht fast nur aus vierstöckigen Häusern, neu, alt und im Bau. Rundherum steht ein Gewächshaus neben dem anderen. Bunte Fähnchen der Parteien sind über die Straße gespannt. Wahlautos fahren lärmmachend hindurch. An vielen Häusern, Geschäften und Autos hängen die Wahlplakate. Es wird gezeigt, welche Partei man wählt.

Ich besuche am nächsten Morgen das etwas außerhalb von Demre gelegene antike Myra mit Felsengräbern und ein gut erhaltenes römisches Theater. Maskenköpfe, in Stein gemeißelt, glotzen mich an.
Die Hauptattraktion von Myra ist die renovierte Kirche des heiligen Nikolaus mit Fresken und Mosaikböden. Sie steht unter einem Schutzdach. Die Gebeine des heiligen Nikolaus wurden aus dem Sarkophag von italienischen Händlern gestohlen – so heißt es.
Zum ersten Mal erlebe ich einen Andrang von Reisegruppen, gleich fünf Busladungen drängeln sich durch die kleine Kirche. Davor steht der Nikolaus wie wir ihn kennen.

Nach dem Besichtigungsprogramm radele ich ein wenig durch die Gewächshauslandschaft.
Schaue zwei Frauen bei der Pfannekuchenherstellung zu. Danach fahre ich zum nächsten Ort. Zum Glück ist die Straße in den Uferfels geschlagen. So habe ich an diesem Tage keine nennenswerten Bergfahrt mehr vor mir. In Finike übernachte ich in einer Pension. Beim Abendessen wird mir mein Bier in einem Nescafe-Becher serviert. Das Restaurant hat keine Alkohollizenz.

 

Ruhetage in Kas.

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Feb 242014
 

DSC01843295. Reisetag

 

Kas ist ein kleines Städtchen an der Mittelmeerküste mit steilem Hang hinauf ins Taurusgebirges. Das Zentrum und die Promenade der Stadt liegen am Hafen mit kleinen Fischerboote und vielen Ausflugsschiffen. Letztere sind meist trockengelegt und stehen auf Stelzen abgestützt am Kai für die jährliche Wartung. Da das Meerwasser noch zu kalt ist fehlen die Touristen für Tauch- und Ausflugsfahrten an die sandigen Felsbuchten.

Wie in vielen lykischen Städten stehen auch hier die steinernen Sarkophage verstreut in der Stadt. Am Hang sind einige Felsengräber zu sehen. Ein kleines renoviertes römisches Theater und einige Ruinen runden die Antike ab.

Ich habe ein schönes Zimmer in der Pensionsstraße gefunden. Die Unterkunft ist gleichzeitig Motel, Gästehaus, Pension und Jugendherberge. Gesehen habe ich bisher nur einen jungen Amerikaner, der seit einem Monat hier arbeitet und immer fröhlich ist. Von der Dachterrasse, die auch Aufenthaltsort mit kleine Küche ist, habe ich eine weite Sicht auf die Stadt und dem dahinter liegenden Berghang. Mein Frühstück mache ich mir selber. Es gibt zur Abwechslung von Tee, Weißbrot, Schafskäse und Oliven mal wieder Kaffee und Müsli.

Obwohl ich in der letzten Zeit nicht sehr weite Strecken zurückgelegt habe und oft länger vor Ort geblieben bin, merke ich ein Ruhebedürfnis. Es steigerte sich sogar nach einem Tag Pause. Werde einige Tage bleiben und wenig unternehmen.
Auf der Dachterrasse lange frühstücken und in die Ferne schauen.
Am Freitag ist Markttag. Gehe hin, ohne viele Fotos zu machen. Der Essensstand dort ist Kommunikationstreff der im Ort wohnenden Engländer. Ich verspeise einen türkischen Pfannekuchen mit Kartoffelfüllung. Er schmeckt nach noch einen.
Bei der Ankunft in Kas hatte ich ein englisches Paar getroffen. Sie sind seit 7 Jahren mit einem Segelboot unterwegs. Ihnen statte ich einen Besuch auf ihrem Boot im Jachthafen ab.
Einen Tag bin ich trotz Sonnenschein gar nicht aus dem Haus gegangen. Bis 11 Uhr im Bett gelegen, gelesen, geschlafen und dann auf der Terrasse gesessen und meine Route für die Weiterfahrt recherchiert.

Es ist Wahlkampf, vom drei Parteien fahren kleine Busse tagtäglich durch die wenigen Straßen der Stadt mit Musik und Ansprachen. Das ist ein wenig laut und nervig.
Am Hafen zu sitzen und einfach zu schauen ist schön.

Nach fünf Tagen Aufenthalt in Kas freue ich mich auf die Weiterfahrt.

Antike Orte im Tomatenland.

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Feb 192014
 

DSC01692290. Reisetag

9631 km

 

Die Mountain-Lodge verlasse ich nach einem guten Frühstück am sonnigen Morgen. Ich rolle hinunter ins breite Tal. Dort fahre ich flach talab auf kleiner Straße. Neben mir das alltägliche Leben in den Dörfern. Maiskolben werden in einer Mühle zu Futter geschrotet. Eine Ziege weigert sich an einer anderen Stelle wieder neu angebunden zu werden. Spinat wird geerntet. In einem Dorf ist gerade Markttag.

Ich erreiche den kleinen Saklikent-Nationalpark. Ein Fluss hat sich eine 18 km lange Schlucht durch das Gebirge gebahnt. Bin alleine hier. Das Eintrittshäuschen ist geschlossen, kann mich aber durch das Drehkreuz zwängen. Über einen hölzernen Bohlenweg betrete ich die Klamm über ca. 200 Meter. Danach müsste ich durchs Wasser waten. Behalte meine Schuhe an und kehre um.

Die Weiterfahrt erfolgt entlang des breiten mit Schotter gefüllten Flussbettes. Der Fluss kennt nur ein Bergab. Ich muss diverse Hügel überqueren. Ich nähere mich der antiken Stadt Xanthos, früher Hauptstadt und die größte Stadt Lykiens. Am Rande eines Ackers sehe ich den oberen Bogen eines Tores aus dem Boden herausragen. Es gibt noch viel zu graben. Ein Schäfer treibt seine Herde daran vorbei. Einige Kilometer weiter stehen wie gehabt die Ruinen von Theater, Agora und Kirche. Hinzu kommen viele Sarkophage und Felsengräber. Dazwischen farbenfrohe Blumenwiesen.
An dieser antiken Stätte haben auch Landschildkröten ihr gefallen gefunden. In Mengen sind sie zu sehen. Es scheint gerade Paarungszeit zu sein, nicht mit einem Brunftschrei wie von einem Hirsch, sondern mit einem Klack-Klack.

Bereits fünf Kilometer weiter liegen die Ruinen der Stadt Letoon, mit Xanthos als Weltkulturerbe gelistet. Der Name ist vom Heiligtum der Göttin Leto abgeleitet, die eine Geliebte von Zeus und Mutter seiner Kinder Apollo und Artemis sein soll.

Ich befinde mich im Tomatenland. Die gesamte breite Flussebene ist mit Gewächshäusern zugepflastert. Mit wenigen Ausnahmen wachsen darin Tomaten. Dazwischen weiden auf schmalen Streifen Ziegen. Es gibt nur eine Winter-/Frühlingsernte. Der Sommer ist einfach zu heiß. Die Tomaten stehen zwar in der Erde, aber ihren Wachstum verdanken sie der Chemie, die fusionsartig tröpfchenweise zugeleitet wird. Wahrscheinlich stammen bereits die Samen aus der Genfabrik – den Werbeschildern nach zu schließen.
Problemlos darf ich in die Gewächshäuser hineinschauen und bekomme viele Tomaten geschenkt. Als Nicht-Tomatenesser versuche ich die Menge jeweils auf eine Tomate zu begrenzen.

Am Rande der Tomatenebene liegt an einem kleinen Bach eine Pension. Ich treffe dort ein Ehepaar aus Berlin. Sie wandern auf dem Lykischen Weg, ein 500 km langer Wanderweg entlang der Küste. Wir erhalten ein gutes vegetarisches Abendessen. Anschießend spendiert der etwas deutsch sprechende Wirt kleine türkische Köstlichkeiten und reichlich Raki.

Ein warmer Tag kündigt sich an. Meine Stiefel und Beinlinge habe ich eingepackt, Sandalen und T-Shirt sind angesagt. Ich mache einen kleinen Morgenspaziergang zu einer alten lykischen Festung, von der nur Mauern und Wehrtürme erhalten sind. Interessant ist der Mauerbau. Die Lykier fügten die Steine polyederförmig zusammen. Die Römer bauten mit quaderförmigen Blöcken.

Meine nächste Station ist der nahe liegende Ort Patara. Nicht nur der längste unterbrochene Sandstrand der Türkei ist hier zu finden, auch spielt er in der Geschichte eine wesentliche Rolle. So unpassend es klingen mag, der Nikolaus ist hier geboren, ein byzantinischer Bischof des 4. Jh. aus Myra.
In Zeiten davor, war der Ort ein lykischer Hafen, hatte berühmte Tempel, von denen wenig zu sehen ist und weitere Ruinen. Aufwändig restauriert ist das Buleuterion (Versammlungsort), das „Parlament“ des Lykischen Bundes, oft als erste demokratische Union bezeichnet.
Ansonsten ist der Ort langweilig, am nächsten Tag geht’s weiter erst über eine Bergkette, dann an der Küste entlang nach Kas.

Lykien.

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Feb 162014
 

DSC01483287. Reisetag

9518 km

 

Ich durchfahre die Landschaft Lykiens und hier lebten seit einigen Jahrtausenden (12. Jh. v.Chr.) die Lykier. Schriftlich erwähnt wurden sie erstmals in der Ilias, in der Homer ihr Mitwirken beim Angriff auf Troja erwähnt. Im 6. Jh. v.Chr. standen sie unter Kontrolle der Perser. Diese übergaben an die Athener, an Alexander dem Großen usw. bis Lykien 168 v.Chr. von den Römern in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Die damaligen Stadtstaaten gründeten den Lykischen Bund, zu denen u.a. Tlos, Xanthos, Patara, Myra und Olympos gehörten. Alle diese alten Orte liegen auf meiner Strecke.
Es herrschte für ein Jahrhundert Friede, bis der Bund sich entschied, Brutus, dem Mörder Caesars, keinen Tribut mehr zu zahlen. Brutus Truppen besetzten Xanthos. Die zahlenmäßig unterlegene Bevölkerung des Stadtstaates wollte sich nicht ergeben, sie beging Massenselbstmord.
Die Lykier hinterließen nur wenig Kultur und schriftliche Dokumente. Der Nachwelt vermachten sie eine Vielzahl von antiken Felsengräber und Sarkophage, die überall in den Bergen und Tälern zu finden sind.

Fethiye verlasse ich bei Sonnenschein. Auf der Ausfallstraße herrscht viel Betrieb. Am Stadtrand biege ich auf eine Nebenstrecke fast ohne Autoverkehr ab. In einem Hof neben der Straße wird gefeiert, Frauen, Kinder und einige Männer sitzen auf Bänken. Mir wird zugewunken und ein Tee und Essen angeboten. Es ist der Beginn einer Hochzeitsfeier. Braut und Bräutigam sind noch nicht anwesend. Die Neuankommenden, meist Frauen werden von den Brauteltern begrüßt. Die Männer treiben sich wohl noch in den Teestuben herum.

Ich bleibe nicht sehr sehr lange. Die Weiterfahrt erfolgt durch ein breiter werdendes Tal. Vor mir sehe ich in der Ferne die Schneeberge. Habe ein Gefühl als wäre ich in den Alpen.

Mein Ziel ist eine Unterkunft in der Nähe der alten lykischen Stadt Tlos. Diese liegt auf einem Hügel am Hang der Schnee-Gebirgskette. Steil geht es die letzten Kilometer nach oben.

In einem schönen Garten mit Palmen und Orangenbäumen liegt die Mountain-Lodge (www.tlosmountainlodge.com). Begrüßt werde ich von Anja, Marco und Sönke auf Deutsch. Sie betreiben diese Lodge seit letztem Jahr. Es ist schön hier mit dem weiten Blick ins Tal.

Da es erst früher Nachmittag ist fahre ich nach einem Kaffee weiter den Berg hoch zum antiken Tlos. Der Felsen, auf dem die Ruinen einer römische Festung stehen, ist durchsetzt von alten lykischen Grabkammern. Für weitere antike Tote stehen mächtige Steinsarkophage in disponierten Stellungen. Ein etwas zerfallenes Theater, die Ruinen von Kirche und Badehauses gehören natürlich zur Ausstattung der alten Städte.
Der Ruinenberg wird für den Frühling gesäubert. Neben einer Arbeitergruppe sind zwei deutschsprechende Archäologen dabei. Von ihnen erfahre ich, dass die Grabkammern nicht nur von den Lykiern, die sie in den Fels geschlagen haben, für ihre Toten benutzt wurden. Auch die nachfolgenden Herrscher betteten ihre (höhergestellten) Toten in den vorgefertigten Kammern.

Am Abend erhalte ich ein gutes vegetarisches Menü. Genieße den geselligen Abend bei einem Glas Wein. Anja und Marco haben noch vor zwei Jahren in einer Bank gearbeitet. Sönke ist bereits lange in der Türkei. Er bietet Enduro-(Geländemotorrad)-Fahrten für Gruppen an.

Mir gefällt es an diesem Ort. Ich bleibe einen weiteren Tag. Frühstücke mit Blick ins Tal in der warmen Sonne. Danach fragen Anja und Marco mich, ob ich Lust auf einen Spaziergang habe. Wir wandern an den Hängen entlang durch Felder und kleine Wälder, meist mit Sicht auf die Schneeberge und ins Tal. Einige Forellenzuchtanlagen werden durch das herabfließende Gebirgswasser gespeist.

Ich verstehe einfach nicht, weshalb es im Winter so wenige Touristen in die Türkei verschlägt. Es ist nicht so heiß wie im Sommer. Die Temperatur ist ideal für Wanderungen und kulturelle Ausflüge.