221. Reisetag
Geplant war der Besuch des Dienstagsmarkt auf der asiatischen Seite. Am Morgen prasselt der Regen gegen das Fenster – wir disponieren um. Gemütlich starten wir in den Tag. Der Hunger treibt uns schließlich nach draußen. Die schmale Straße führt uns in die Höhe. (Istanbul besteht fast nur aus Bergen und Täler.) Wir schauen in die kleinen Läden hinein. Im Kellergeschoss besuchen wir eine Gürtelfabrik. In einem Lampenladen werden Metallteile angefertigt. Etwas weiter bergauf sehen wir einen Drechselladen mit Fenster voller Späne. Der Meister winkt uns hinein. Er nimmt Marie an die Hand und schenkt ihr einen Kreisel. Dann zeigt er uns wie er arbeitet. Diese Freundlichkeit ist für uns immer wieder etwas besonderes. Sie führt zu einer tiefen Verbundenheit mit den Menschen. Wir stellen fest, dass diese den Deutschen leider allzu oft fehlt.
Die vielen kleinen Läden in den Seitenstraßen sind schon etwas besonderes. Manchmal können wir nicht feststellen was dort angeboten wird. Wir merken wie schwer es viele Menschen haben ihr Auskommen zu finden. Hart müssen die Papier- und Plastiksammler arbeiten um ein paar Lira zu erhalten. Die vielen mobilen Schuhputzer haben es nicht leicht Kundschaft zu finden. Da haben sie schon ihre kleinen Tricks. Beim Gehen verlieren sie eine Bürste. Natürlich weise ich sie darauf hin. Sehr freundlich setzten sie sich dann hin und bieten dir (du denkst für den Hinweis) Schuhputzen an. Da meine Schuhe bereits am Tag vorher auf diese Art geputzt wurden – natürlich wird am Ende eine Bezahlung verlangt – kenne ich den Vorgang. An diesem Tag sage ich ihm reflexmäßig schon Bescheid wegen der „verlorenen Bürste“, lasse meine Schuhe aber nicht wieder putzen.
Oben in der Fußgängerzone der Istiklal Caddesi sehen wir das Kontrastprogramm zu den kleinen Gassen. Riesige Kaufhäuser bieten von Kleidung bis zur neueste Elektronik alles an. Weihnachten ist präsent. Vor einer katholischen Kirche positionieren sich die Menschen vor der Krippe für ein Foto. Weihnachtsmänner stehen in den Geschäften.
In einem kleinen gemütlichen Lokal nehmen wir unser Abendessen ein.
Mittlerweile zeigt das Wetter was es so alles im Repertoire hat. Der Regen wird von Schnee abgelöst, dann folgt Hagel und wieder Regen. Der Donner grollt und Blitze zucken. Abends schneit es ununterbrochen, dazu bläst ein kräftiger Wind. Istanbul ist am nächsten Morgen von einer Schneeschicht bedeckt. Es schneit, mal scheint die Sonne, dann folgen wieder Graupelschauer.
Wir machen uns mit der Tram auf dem Weg zum Flughafen, Marie fährt wieder heim. Ich bleibe zurück.
Das Unterwegssein zu zweit ist schon etwas schönes. Ich hoffe, dass Marie mich im nächsten Jahr für längere Zeit begleiten wird.
Auf meinem Rückweg vom Flughafen wandere ich noch ein wenig durch die Altstadt. Überall wird Fußball geschaut. Das wegen Schneefall am vorherigen Abend unterbrochene Spiel von Galatasaray gegen Juventus wird wiederholt. Ein Torruf schallt durch den großen Bazar. Galatasaray gewinnt. Die Menschen sind glücklich.
Meine Weiterfahrt mit der Fähre auf die andere Seite des Marmara-Meeres verschiebe ich von Donnerstag auf Freitag. Das Wetter soll sich langsam wieder bessern und auch wärmer werden. Da bleibe ich lieber noch einen Tag in Istanbul. Außerdem fährt am Freitag eine Fähre zur Mittagszeit und nicht wie am Donnerstag nur um 7 Uhr in der Frühe mit Aufstehen um 5 Uhr.
Mein Quartier muss ich wechseln. Die letzte Nacht in Istanbul verbringe ich in einem Hotel in der Altstadt nahe am Fähranleger.
Nach dem Unterkunftswechsel mache ich meinen letzten Gang durch diese sehenswerte Stadt. Gleich um die Ecke vom Hotel sehe ich einen langgezogenen Straßenmarkt, mit Planen überdacht. Fotografieren ist kein Problem. Manchmal wird sogar darum gebeten. Oft wird mir ein Lächeln geschenkt. Für mich ist es ein Genuss über Märkte zu laufen und durch die Gassen mit all ihrem Leben zu gehen.