Morgens kurz vor 6 Uhr weckt mich der erste Ruf des Muezzins. In kurzen Abständen folgen die vielen anderen Moscheen in Istanbul. Ein morgendlicher disharmonischer Klangteppich legt sich über die Stadt und wiederholt sich fünf Mal am Tag.
Danach schlafe ich wieder ein. Ich habe viel Zeit in Istanbul. Die Sehenswürdigkeiten werde ich erst ab dem 2. Dezember anschauen wenn Marie mich für zehn Tage besuchen kommt.
Am Samstag und Sonntag lasse ich die Stadt auf mich wirken. Wandere durch die Straßen und über den Großen Bazar.
Die Straßen sind oft sehr schmal. Zwei Autos können nicht aneinander vorbeikommen. Einer muss zurück, manchmal auch noch die dahinter stehenden. Oder ein Lieferwagen stoppt. So entstehen die vielen Staus.
Nicht weit von meiner Unterkunft ist das Schusterviertel. Die Läden und kleinen Betriebe versenden/bekommen jede Menge gebündelte Pakete. Sie stehen bereits mitten auf der schmalen Straße und werden mit Sackkarren oder per Rückentransport abgeholt/gebracht. Die Geschäfte scheinen zu laufen.
Ich lasse mich durch die belebten Straßen leiten. Diese führen unweigerlich Richtung Großer Basar (Kapalı Çarşı). Angelegt wurde er im 15. Jahrhundert unter Sultan Mehmet Fatih nach der Eroberung Konstantinopels.
Unter den Kuppeln dieses alten großen Einkaufszentrums, das 64 Straßen überdacht, gibt es in rund 3500 Geschäften viele schöne und scheußliche Dinge zu kaufen. Es schieben sich täglich bis zu einer halben Millionen Menschen durch die Gassen des Basars.
Am Sonntag ist dieser geschlossen, ebenso die vielen kleinen Geschäfte im Umfeld. In anderen Stadtvierteln gibt es genügend Einkaufsmöglichkeiten. Auf dem großen Platz vor der Galatabrücke und um/auf dem Gewürzmarkt drängeln sich förmlich die Menschenmassen. Die Straßenbahnen sind gestopft mit Menschen. Ich dachte ich wäre in der Nebensaison hier, wie muss es in der Hauptsaison sein.
In der Öffentlichkeit scheint Istanbul in Männerhand zu sein. Angefangen vom Herumsitzen an der Straße, in den Teestuben, dem Shisha-Rauchen bis zu den Kellnern, Händlern und Verkäufern.
Frauen habe ich nur in Kleidergeschäften als Verkäuferinnen gesehen. Wäre auch merkwürdig in diesem Lande wenn die Männer im Dessous-Verkauf die Waren anpreisen würden.
Auf der Straße tragen auffallend viele Frauen Kopftücher, seltener sehe ich sie in schwarzen Gewändern und einem Gesichtsschutz mit Augenschlitz.
Ein neues Gesetz erlaubt auch Staatsbediensteten künftig an ihrem Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen. Das über Jahrzehnte an staatlichen Einrichtungen geltende Verbot des Kopftuchs ist abgeschafft.
Montag ist wie angekündigt ein Regentag. Am Vormittag kaufe ich eine türkische Simkarte für mein Handy. Das ist gar nicht einfach bei ca. 20% Verständigungsmöglichkeit. Den Rest musste ich erraten. Meine Kenntnisse im Umgang mit dem Handy sind eh nicht überragend. Es funktioniert, weiß aber nicht wie lange ich mit der Prepaidkarte telefonieren kann.
Weniger Erfolg hatte ich bei der Verlängerung meiner Aufenthaltserlaubnis. Diese ist durch den Einreisestempel auf 90 Tage beschränkt. Da ich den Winter in der Türkei verbringen möchte benötige ich eine Verlängerung. Dafür ist die Ausländerpolizei zuständig. Dort angekommen passiere ich in einer langen Schlange die Sicherheitskontrolle und in weiteren Schlangen versuche ich an die entsprechende Stelle zu gelangen. Am Ende erfahre ich, dass alle Antragsnummern für diesen Tag vergeben sind und ich ein anderes Mal wiederkommen soll.
Ein vegetarisches Essen zu finden ist in dieser vielfältigen Stadt einfach. Am Abend, in einem indisches Restaurant, habe ich eine lange Diskussion mit einem Kurden (er arbeitet dort als Kellner). Er schwärmt für Hitler und hätte gerne so einen für die Kurden gehabt.
Nicht so schön für mich ist die bereits ab 4 Uhr nachmittags einsetzende Dämmerung. Da sind die Abende lang. Obwohl es hier ein Nachtleben gibt, nutze ich es nicht.