Entlang der Donau.

 Unterwegs  Kommentare deaktiviert für Entlang der Donau.
Okt 192013
 

DSC04574166. Reisetag

6876 km

 

Am nächsten Morgen scheint die Sonne. Geschlafen habe ich schlecht. Die Heizung war heiß und nicht abzustellen, durchs offene Fenster kam nicht genügend Kälte herein, dafür Hundegebell und am Morgen Autolärm.

Ich fahre hinunter zur Donau um mit einer Fähre überzusetzen. Die Donau ist ein breiter, träge fließender Fluss geworden, mit vielen Seitenarmen schlängelt er sich durchs Land. Die eine Seite flach, die anderen hügelig (da fahre ich jetzt). Die große Fähre scheint kaputt zu sein, denn ich werde zu einem anderen Anlegeplatz geschickt. Auf einer relativ kleinen Autofähre geht es hinüber zur anderen Seite. Diese wird von einem Seitenschiff angetrieben. Zwei oder drei von diesen pendeln hin und her, die Überfahrt ist kostenlos.

Entlang an Weinbergen geht es hügelauf. Die Straße ist gesäumt von Walnussbäumen. Immer wieder kann ich einen Blick ins Donautal werfen. Die Sonne scheint heiß, fahre seit langem mal wieder im T-Shirt. Am Straßenrande werden Weintrauben und Äpfel verkauft. Ich greife zu, um meinen Vitaminspiegel aufzupeppeln und es schmeckt mir auch.

Bereits am frühen Nachmittag halte ich am orthodoxen Kloster Dervent an. Das Kloster wird gerne von Kranken aufgesucht, die sich davon Heilung versprechen. Laut meinem Radreiseführer kann ich hier übernachten. Einen Hinweis vor Ort sehe ich nicht. Es wird schwierig, keiner spricht englisch. Mein Wunsch wird aber verstanden und ich bekomme ein Dreibettzimmer zugewiesen, in dem ich alleine wohne.

Die Küchenglocke ruft um 18 Uhr zum Essen. Mönche und weitere Menschen (Gäste, Arbeiter) kommen in den Speisesaal. Ein Gebet wird von einem Mönch gesprochen. Dann setzten sich alle und fangen an zu essen. Der Mönch liest während der ganzen Essenszeit vor. Es gibt Gemüsesuppe, Brot und danach Kartoffelchips. Sogar ein kleiner Nachtisch aus Pflaumen und Stachelbeeren steht auf dem Tisch.
Ich besuche die Abendmesse in der dunklen Kirche mit Kerzenbeleuchtung. Es gibt nur noch einen weiteren Besucher. Die Mönche können wunderschön singen und sind Künstler im Schnellsprechen.

Der Himmel hat sich bereits eingetrübt. In der Nacht wird es ungemütlich draußen. Ein Herbststurm mit Dauerregen hält den nächsten Tag an. Ich verlängere meinen Aufenthalt. Frühstück gibt es nicht. Um Uhr 10.30 läutet die Küchenglocke das Mittagessen ein. Suppe, Fisch, Reisbrei und Krautsalat stehen auf dem Tisch. Die Essenszeremonie ist die gleiche wie am Abend zuvor.

Trübe aber trocken starte ich in den nächsten Tag. Es geht hügelauf, kaum bin ich oben geht es wieder nach unten. 1000 Höhenmeter kommen so an diesem Tag zusammen. Ich durchfahre eine fast baumlose Landschaft. Wein- und Obstplantagen, aber auch große gepflügte Felder säumen den Weg. In einem Dorf halte ich an einer Schnapsbrennerei. In alten Mülltonnen gärt die Traubenmischung. Diese wird dann in einen eingemauerten Bottich geschüttet. Die Rohre werden aufgesetzt und mit Ton abgedichtet. Darunter brennt ein Holzfeuer. Die Dämpfe werden in einem mit Wasser gekühlten Bottich kondensiert. Der Schnaps tropft heraus in einen Eimer. Natürlich bekomme ich etwas zur Probe. Trinke aber nur ein paar Schluck und reiche den Becher weiter.

Ich fahre hinunter in die Donauniederung. Freue mich auf die flache Straße direkt entlang der Donau. Bald schon geht es wieder in die Höhe. Am Donau-Schwarzmeerkanal liegt die Stadt Cernavado. Dort übernachte ich in einem Hotel und erhalte nach dem eher frugalen Mahl im Kloster ein reichhaltiges Abendessen. Verbleibe noch einen weiteren Tag in der Stadt. Es ist Samstag, in allen weiteren Unterkünften wird geheiratet. Auch in meinem Hotel, habe aber ein Zimmer in der ruhigsten Ecke bekommen. Die nächsten 160 km gibt es keine freie Übernachtungsmöglichkeit. Zum Wildzelten habe ich keine Lust. Den Tag nutze ich zum notwendigen Wäsche waschen.

Ich begreife die rumänische Landwirtschaft.

 Unterwegs  Kommentare deaktiviert für Ich begreife die rumänische Landwirtschaft.
Okt 152013
 

DSC04412

 

162. Reisetag

6764 km

 

Bukarest verlasse ich entlang des Flusses Dambovita auf stark befahrener Straße. Diese führt auf die Autobahn, ich fahre auf Nebenstraßen weiter Richtung Donau. In den kleinen Ortschaften sind die Hunde wieder aktiv, bellen mich an und verfolgen mich.
Anfangs gibt es noch einen Asphaltbelag, dieser verschwindet immer mal wieder. Die vielen Unebenheiten schütteln mich kräftig durch. Tiefe Spuren im jetzt trockenen Lehmbelag deuten mir an wie die Fahrt bei Nässe aussehen würde.
Die Landschaft ist flach. Riesige Felder säumen meinen Weg. Erinnert mich an die Prärielandschaft in Kanada.
Das Wintergetreide gibt den Feldern bereits einen grünen Schleier.

Die Maisernte ist im vollen Einsatz. Der ganz vertrocknete Mais wird mit Mähdrescher geerntet. Auf der Straße fahren viele Lastwagen an mir vorbei. Ich lese die Aufschritt Cargill – ein Getreidemulti.
Jetzt fange ich an die Landwirtschaft in Rumänien zu begreifen. Ich habe selten große landwirtschaftlichen Betriebe gesehen, dafür aber sehr viele sehr große Felder. Es wird für den Export produziert, nicht für den einheimischen Verbrauch. Dazu wird nur ein moderner Fuhrpark benötigt, keine Ställe für Tiere.
Die aufgelösten LPGs, deren Gebäude überall am Zerfallen sind, waren ein guter Einstieg für die internationalen Konzerne.
Und wahrscheinlich gibt es noch EU-Agrarsubventionen dafür.

Ein kurzer Blick ins Internet liefert mir folgende Angaben:
„Wie das Bukarester Landwirtschaftsministerium mitteilte, wurden in den ersten acht Monaten von 2012 gut 1,30 Mio. t Weizen und 1,83 Mio. t Mais ausgeführt; das waren 571.000 t beziehungsweise 1,06 Mio. t mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Gleichzeitig importierte Rumänien in der Berichtsperiode 348.700 t Weizen sowie 617.700 t Mais.“
Was für eine verrückte Welt.

Der rumänische Bauer arbeitet weiterhin auf kleinen Parzellen mit alten Traktoren und Pferdefuhrwerken. Die Kartoffeln werden mit der Hacke herausgeholt, der Mais auf den Feldern mit der Hand gebrochen und die Kolben in den Speicher am Hause zum Trocknen gebracht. Am Rande der großen Felder wird das Gras mit der Sense gesichelt. Die Kühe werden als Herden übers Land getrieben.
Das meiste landwirtschaftlich nutzbare Land steht den Rumänen nicht mehr für ihren eigenen Bedarf zur Verfügung.
Offen bleibt für mich weiterhin die Frage der vielen brachliegenden Flächen.
Ein kleines Sonnenblumenfeld wurde bisher nicht geerntet. Die meisten Kerne sind bereits herausgefallen/gefressen. Wer macht sich die Arbeit und sät, erntet aber nicht?

Ich fahre durch kleine Dörfer. Vor vielen Häusern stehen Bänke auf denen vorwiegend alte Menschen sitzen. Sind sie alleine schauen sie, sonst unterhalten sie sich oderl passen auf ihre Hühner, Puten und Enten auf.
Chrysanthemen blühen zwischen Straße und Hauszaun. Kohlköpfe stehen dort erntereif, vieles wurde auf dem schmalen Streifen wohl bereits geerntet, denn der  Boden ist frisch gepflügt.
Am Straßenrand werden noch Quitten zum Verkauf angeboten. Damit kann ich leider nichts anfangen.
Auf Strommasten sehe ich viele Storchennester, natürlich haben die Bewohner diese längst verlassen.
An den Brunnen (mit fließendem Wasser) an Straßenrand werden Wasserflaschen gefüllt. Oft ist das Kreuzhäuschen direkt mit der Wasserquelle kombiniert.

Ich erreiche wieder den Donauradweg Eurovelo 6. Von der Donau ist aber nichts zu sehen.
Im Ort Oltenita finde ich nach längerem Suchen eine Pension. Was sie bietet steht in keinem Verhältnis zum Preis von rund 30 Euro.

Fahre am nächsten Tag entlang der Donau. Bekomme diese aber nicht zu Gesicht. Eine Nebenstrecke gibt es nicht, deshalb ist der Verkehr rege, besonders an Getreidelaster. Am frühen Nachmittag gibt es einen 30-km-Regenschauer. Die Spurrillen stehen voller Wasser, das Fahren wird anstrengend.

Kurz vor meiner angepeilten Bleibe in Calarasi durchfahre ich eine Ruinenlandschaft ehemaliger Industrieanlagen, dann folgen Plattenbauten und im nicht besonders sehenswertem Zentrum steht mein Hotel.

In den letzten zwei wolkenverhangenen trüben Tage fehlte mir ein wenig der Spaß beim Fahren. Fühlte mich etwas schlapp in Körper und Geist. Hoffe, das ändert sich bald wieder.

Bukarest – eine Reiseempfehlung.

 Unterwegs  Kommentare deaktiviert für Bukarest – eine Reiseempfehlung.
Okt 132013
 
DSC04363

Ich gebe zu, dieser wahnsinnige Bau fasziniert.

160. Reisetag

 

Am letzten Tag in Bukarest lasse ich mich treiben. In der Nähe meiner Unterkunft sehe ich auf einer kleinen Wiese ein großes Fabeltier geflochten aus Weidenruten mit bunten Figuren darin und Paddelbeinen. 
Dahinter liegt das Kulturhaus Carturesti, eine Mischung aus Buchladen, Teegeschäft und alternativem Café. Im Garten stehen Tische und Bänke. Es wird gegrillt. Honig, Brot und Gemüse wird an Tischen verkauft. Eine Kindergruppe malt. Dezente klassische Musik läuft. Ich setze mich in den Garten und bestelle einen Kaffee.

Ich streife weiter durch das Viertel. Es gibt viele Wandmalereien, ein kleines Theater und eine interessante Skulptur von einer Schwangeren mit Kind auf einem Reptil.
Oberhalb der Straßen läuft oft ein Gewirr von Leitungen. Wer da wohl durchblickt? Aber Stromausfälle habe ich keine mitbekommen.

Alle paar Schritte findet man bei den Gebäuden ein direktes Nebeneinander von Altem und Modernem.
In der Innenstadt ist die Renovierung der wichtigen Gebäude weit vorangeschritten. Nicht zu Unrecht trägt die Stadt bereits den Titel: Kleines Paris des Ostens. Ich gebe zu, auch Ceausescus wahnsinniger „Palast des Volkes“ übt eine Faszination auf mich aus.
Im näheren Umkreis benötigen noch viele schöne alte Häuser eine Renovierung damit sie weiterbestehen können, andere sind bereits instandgesetzt, nur wenige sind am Zerfallen. Bewohnt werden sie aber auch im baufälligen Zustand. An halbfertigen Bauten herrscht oft ein Stillstand.
Wie es jedoch in den Außenbezirken aussieht, kann ich nicht beurteilen. Bei der Einfahrt in die Stadt habe ich die vielen Plattenbauten gesehen.

Viele der Wohnblocks an den Hauptstraßen und -Plätzen werden gerne für Werbung aller Art genutzt. Den Bewohnern hängt man große Werbebanner vor die Fenster.

Die orthodoxe Kirche ist überall in der Stadt wie in ganz Rumänien präsent. Die Gebäude sind Richtung Osten ausgerichtet und im Wesentlichen gleich aufgebaut. An den Vorraum im Westen, schließt sich östlich der Kirchenraum bzw. das Kirchenschiff an, der von der Bilderwand (Ikonostase) im Osten begrenzt wird, während sich hinter der Bilderwand – und gleichzeitig am östlichsten Ende des Gotteshauses – das eigentliche Heiligtum (der Altarraum) befindet. Der Altarraum wird von den Gottesdienstbesuchern nicht betreten. Die Wände im Inneren sind mit vielen Fresken und Ikonen verziert.
Das zölibatäre Leben gilt nur für Bischöfe und Mönche sowie für Priester, die zum Zeitpunkt der Weihe unverheiratet sind.
Die Kirchenbesucher verhalten sich sehr unterwürfig. Bekreuzigen sich häufig, die Heiligenbilder werden geküsst oder leicht mit der Stirne berührt.

Die 65.000 Hunde, die es in der Stadt geben soll leben wohl in Außenbezirken. Gesehen habe ich nicht viele, angebellt wurde ich nie. Die Hunde liegen meist faul und genügsam herum. Ein krasser Gegensatz zu den ländlichen Gebieten.

Fußgänger haben es mitunter schwer. Die Wege sind zugeparkt, bei einmündenden Straßen fehlt schon mal eine Überquerung. Es gibt tiefe Löcher auf dem Weg. An Zebrastreifen wird aber gehalten.
Viele Autos fahren auf der Straße. Erlebe zum ersten Mal in Rumänien längere Staus.

Der Sicherheitsbereich beschäftigt Heerscharen von Männern. Auf Plätzen, an Baustellen, in der Metro, in Parks, auf Friedhöfen, in Geschäften überall sind sie in ihrer meist schwarzen Uniform anzutreffen.
Wie hoch die Arbeitslosigkeit ist kann ich nicht abschätzen. Verdeckte Arbeitslosigkeit sehe ich an den vielen Bingo-Lotterieverkäufern, kleinen Ständen, die eigentlich keinen Umsatz bringen können, aber auch an Handverkäufern.
Ganz Arme sammeln Plastikflaschen und Getränkedosen in großen Plastiksäcken.
Die Bettler sind meist weiblich und alt. Sie sitzen vor den Kirchen oder in der Fußgängerzone. Sie sind nicht aufdringlich, ihre Anzahl ist nicht sehr hoch.

Es sind persönliche Eindrücke, die ich in den wenigen Tagen in Bukarest erhalten habe.
Die Stadt ist sehenswert und ich bin froh sie besucht zu haben.

Bukarest – Gärten, See und Gräber.

 Unterwegs  Kommentare deaktiviert für Bukarest – Gärten, See und Gräber.
Okt 122013
 
DSC04155

Das von Stalin geschenkte Pressehaus.

 159. Reisetag

 

An diesem Tag besuche ich die nördlichen und südlichen Außenbezirke von Bukarest. Meine Ziele steuere ich mit der Metro an. Es gibt sie seit 1979 mit 3 Linien und 45 Stationen. Die nächste Station Piata Romana ist nicht weit von meiner Unterkunft. Zwei Rolltreppen tiefer kann ich mein Tagesticket für 6 Lei (1,40 Euro) am Schalter kaufen. Die U-Bahn ist modern und sauber. Es gibt in den Wagen zwei Längssitzreihen, dazwischen wird gestanden. Die Wagen sind durch einem breiten Durchgang verbunden. Zwei Sicherheitsmänner fahren mit (weiß nicht ob in jeder Bahn).

Bereits nach zwei Stationen erreiche ich den großen Herastrau-Park mit See. Hätte diesmal gerne mein Fahrrad dabei. Der Park ist mit 187 Hektar riesig. Zu Fuß mache ich nur einen kleinen Bogen am See entlang. Wollte eigentlich eine Schifffahrt auf dem langgezogenen See machen, aber die Schiffe fahren nicht.
Auf einem Platz (im Park) weht in der Mitte die EU-Fahne. In Kreisform sind 12 große Köpfe angeordnet. Unter jedem steht seine Wichtigkeit für die Gründung der EU.  Aus Deutschland ist Adenauer der Vertreter. Unklar ist mir, ob das Projekt aus EU-Mitteln bezahlt wurde. Normalerweise gibt es entsprechende Hinweise.

Ein markantes Gebäude am Rande des Parks fällt mir auf. Es ist das 1956 errichtete Pressehaus. Ein Geschenk des sowjetischen Diktators Stalin. Man erkennt deutlich den sowjetischen Stil des Gebäudes. Auf dem roten Sockel davor stand bis 1990 eine Statue von Lenin. Offenbar ist man bis heute ratlos, was nun mit dem Sockel geschehen soll. Darüber ist ein Zeltdach mit bunten Ballons aufgestellt.

Zwei moderne gläserne Hochhäuser stehen in diesem Viertel, ein Word-Trade-Centrum und ein Messerundbau.
Am Ende der verkehrsreichen Straße sehe ich den Bukarester Triumphbogen. 1935/36 wurde das Bauwerk nach dem Vorbild des Arc de Triomphe in Paris errichtet. Es wurde zu Ehren des „Triumphes (?)“ im Ersten Weltkrieg aufgestellt.
Ganz wie in Paris braust der Verkehr rund um den Bogen.

Durch den Park wandere ich zurück zur Metro-Station, über weite Rasenflächen mit Beeten ohne Blumen, viele Figuren und mir unbekannte Köpfe sind an Plätzen aufgestellt. Die Springbrunnen sind auch hier wasserlos. Über dem See ragt das geschenkte Pressehaus in den Himmel und spiegelt sich darin.

Die Metro bringt mich ans andere Ende der Stadt in die „Friedhofsecke“. Der Cimitriul Bellu ist ein großer orthodoxer Friedhof. Ich wandele auf den schmalen Pfaden durch die Gräberwelt. Es herrscht ein Durcheinander aus Holzkreuzen, pompösen Mausoleen, marmornen Büsten und Engeln mit gebrochenen Flügeln. Teils überwuchert, teils umrahmt von ein wenig verwilderter Vegetation.
Der prominenteste „Einwohner” des Bellu-Friedhofs ist der Rumäniens Nationaldichter Mihai Eminescu.

Eine Mauer weiter besuche ich den katholische Friedhof. Dieser ist eigentlich für eine katholische Minderheit von 5 Prozent recht groß.

Auf der anderen Seite der verkehrsreichen Straße betrete ich durch ein eisernes Tor den jüdischen Friedhof. Am Eingang werde ich gleich abgefangen. Ich benötige eine Kopfbedeckung. Mir wird eine weiße kleine Kappe gereicht, die ich auf meinen Kopf lege. Dann möchte man mir einen „Bodygard“ zuteilen, der mich vor wilden Hunden schützen soll. Ich lehne eindeutig ab. Die hier herumliegenden Hunde sehen alle harmlos aus und sind es auch.
Dieser Friedhof ist arg verwildert und zerfallen. In dem Bereich der älteren Gräber ist alles Grüne abgeschnitten und wirkt kahl. Die Steine alter Gräber liegen ziemlich unordentlich herum. Ein weiterer Bereich wartet wohl noch auf seine Säuberung. Im hinteren Teil des Friedhofs sind neuere Gräber mit Ordnung angelegt.

Ich begebe mich mit der Metro wieder unter die Lebenden. Steige am Piata Unirii aus um von hier aus langsam zurückzugehen.

Sehe eingezwängt zwischen zwei Hochhäusern und etwas von der Straße zurückversetzt, die kleine Biserica Sf. Ioan.
Viele der Kirchen fielen der so genannten Systematisierung zum Opfer. Darunter verstand man Ceausescus Politik des Schleifens von sakralen Bauwerken. Architekten ließen sich einiges einfallen, um das eine oder andere Gotteshaus retten zu können. Diese Kirche wurde um 23 m verschoben um sie ein wenig zu verstecken.
Sf. Ioan ist in seinem Inneren über und über mit Fresken, Ikonen und viel Gold und Silber geschmückt. Der Innenraum ist winzig und dunkel. Viele Gläubige schauen kurz rein, bekreuzigen sich und küssen ihr Heiligenbild bevor sie sich wieder in den Trubel nach draußen begeben.

Ich überquere den Universitätsplatz. Auf der einen Seite steht eine große Geige als Denkmal, auf der anderen eine wilde Musikergruppe.

Zurück auf der Calea Victoriei komme ich am Palatul CEC vorbei. Es ist das 1897 von einem französischen Architekten geplante Gebäude der Rumänischen Sparkasse, mit großartiger Kuppel, einer schön verzierten Uhr am Portal sowie Figuren an der Fassade. Nach der Privatisierung der Bank ist dieser Palast für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich.