Ich begreife die rumänische Landwirtschaft.

 Unterwegs  Kommentare deaktiviert für Ich begreife die rumänische Landwirtschaft.
Okt 152013
 

DSC04412

 

162. Reisetag

6764 km

 

Bukarest verlasse ich entlang des Flusses Dambovita auf stark befahrener Straße. Diese führt auf die Autobahn, ich fahre auf Nebenstraßen weiter Richtung Donau. In den kleinen Ortschaften sind die Hunde wieder aktiv, bellen mich an und verfolgen mich.
Anfangs gibt es noch einen Asphaltbelag, dieser verschwindet immer mal wieder. Die vielen Unebenheiten schütteln mich kräftig durch. Tiefe Spuren im jetzt trockenen Lehmbelag deuten mir an wie die Fahrt bei Nässe aussehen würde.
Die Landschaft ist flach. Riesige Felder säumen meinen Weg. Erinnert mich an die Prärielandschaft in Kanada.
Das Wintergetreide gibt den Feldern bereits einen grünen Schleier.

Die Maisernte ist im vollen Einsatz. Der ganz vertrocknete Mais wird mit Mähdrescher geerntet. Auf der Straße fahren viele Lastwagen an mir vorbei. Ich lese die Aufschritt Cargill – ein Getreidemulti.
Jetzt fange ich an die Landwirtschaft in Rumänien zu begreifen. Ich habe selten große landwirtschaftlichen Betriebe gesehen, dafür aber sehr viele sehr große Felder. Es wird für den Export produziert, nicht für den einheimischen Verbrauch. Dazu wird nur ein moderner Fuhrpark benötigt, keine Ställe für Tiere.
Die aufgelösten LPGs, deren Gebäude überall am Zerfallen sind, waren ein guter Einstieg für die internationalen Konzerne.
Und wahrscheinlich gibt es noch EU-Agrarsubventionen dafür.

Ein kurzer Blick ins Internet liefert mir folgende Angaben:
„Wie das Bukarester Landwirtschaftsministerium mitteilte, wurden in den ersten acht Monaten von 2012 gut 1,30 Mio. t Weizen und 1,83 Mio. t Mais ausgeführt; das waren 571.000 t beziehungsweise 1,06 Mio. t mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Gleichzeitig importierte Rumänien in der Berichtsperiode 348.700 t Weizen sowie 617.700 t Mais.“
Was für eine verrückte Welt.

Der rumänische Bauer arbeitet weiterhin auf kleinen Parzellen mit alten Traktoren und Pferdefuhrwerken. Die Kartoffeln werden mit der Hacke herausgeholt, der Mais auf den Feldern mit der Hand gebrochen und die Kolben in den Speicher am Hause zum Trocknen gebracht. Am Rande der großen Felder wird das Gras mit der Sense gesichelt. Die Kühe werden als Herden übers Land getrieben.
Das meiste landwirtschaftlich nutzbare Land steht den Rumänen nicht mehr für ihren eigenen Bedarf zur Verfügung.
Offen bleibt für mich weiterhin die Frage der vielen brachliegenden Flächen.
Ein kleines Sonnenblumenfeld wurde bisher nicht geerntet. Die meisten Kerne sind bereits herausgefallen/gefressen. Wer macht sich die Arbeit und sät, erntet aber nicht?

Ich fahre durch kleine Dörfer. Vor vielen Häusern stehen Bänke auf denen vorwiegend alte Menschen sitzen. Sind sie alleine schauen sie, sonst unterhalten sie sich oderl passen auf ihre Hühner, Puten und Enten auf.
Chrysanthemen blühen zwischen Straße und Hauszaun. Kohlköpfe stehen dort erntereif, vieles wurde auf dem schmalen Streifen wohl bereits geerntet, denn der  Boden ist frisch gepflügt.
Am Straßenrand werden noch Quitten zum Verkauf angeboten. Damit kann ich leider nichts anfangen.
Auf Strommasten sehe ich viele Storchennester, natürlich haben die Bewohner diese längst verlassen.
An den Brunnen (mit fließendem Wasser) an Straßenrand werden Wasserflaschen gefüllt. Oft ist das Kreuzhäuschen direkt mit der Wasserquelle kombiniert.

Ich erreiche wieder den Donauradweg Eurovelo 6. Von der Donau ist aber nichts zu sehen.
Im Ort Oltenita finde ich nach längerem Suchen eine Pension. Was sie bietet steht in keinem Verhältnis zum Preis von rund 30 Euro.

Fahre am nächsten Tag entlang der Donau. Bekomme diese aber nicht zu Gesicht. Eine Nebenstrecke gibt es nicht, deshalb ist der Verkehr rege, besonders an Getreidelaster. Am frühen Nachmittag gibt es einen 30-km-Regenschauer. Die Spurrillen stehen voller Wasser, das Fahren wird anstrengend.

Kurz vor meiner angepeilten Bleibe in Calarasi durchfahre ich eine Ruinenlandschaft ehemaliger Industrieanlagen, dann folgen Plattenbauten und im nicht besonders sehenswertem Zentrum steht mein Hotel.

In den letzten zwei wolkenverhangenen trüben Tage fehlte mir ein wenig der Spaß beim Fahren. Fühlte mich etwas schlapp in Körper und Geist. Hoffe, das ändert sich bald wieder.