6215 km
Es ist kalt geworden. Trage meine Beinlinge zum ersten Mal nach dem Sommer. Rolf hat uns heute Richtung Bukarest verlassen. Mit dem Zug war er uns nach Medias und Sighisoara gefolgt. Bei wolkigem Himmel fahren wir los. Die Landschaft ist hügelig. Maisfelder und Wiesen begleiten uns. Nur einmal eine Ausnahme: drei Hirsefelder. Am Straßenrand stehen viele Walnussbäume. Leute vom Dorf holen die Nüsse mit Stöcken herunterholen und sammeln sie ein. Bemerke, das sich die Blätter bereits herbstlich einfärben.
In den kleinen Ortschaften gibt es wieder die Kirchenburgen. Manche im bröckelnden Zustand, andere renoviert. Sie sind verschlossen, eine Besichtigung nicht möglich.
Was soll mit diesen alten, nicht mehr genutzten Bauten geschehen. Die Rumänien haben ihre orthodoxen Kirchen, die Siebenbürger Sachsen sind verschwunden. Renovierung und Erhaltung ist aufwendig und teuer. Es wurde und wird viel gemacht. Aber für wen? Touristen sind auf dem Land nicht so oft anzutreffen. Wenn welche – wie wir – vorbeikommen, ist alles verschlossen.
An diesem Tag sind viele Pferdefuhrwerke unterwegs. Für ein Foto halten sie für mich auch schon einmal an. Einfach so, wenn ich die Kamera heraushole. Freue mich darüber. Wir wechseln ein paar Worte. Sie verstehen, dass wir aus Deutschland kommen.
Muss demnächst mal Zigaretten kaufen. Häufig wird per Handbewegung danach gefragt, habe natürlich keine dabei.
Einen kleinen Abstecher machen wir zu einer katholischen Kirche in einem kleinen abseits gelegenen Straßendorf. Unser Übernachtungsort ist nicht mehr weit und es ist erst nachmittags. Diese alte jetzt katholische Kirchenburg wird gerade renoviert. Ein Mann mit dem Kirchenschlüssel bemerkt uns und schließt auf. Ich besteige den Turm, was angesichts der steilen Treppe nicht ganz einfach ist. Oben hängen zwei große Glocken. Ich passe auf, der Boden ist voller Löcher. Von der Brüstung aus habe ich eine weite Sicht über Dorf und Landschaft.
Zum Besuch der vielen Kirchen möchte ich sagen, dass wir nicht auf einer religiös motivierten Pilgerreise sind. Es ist ein Interesse jenseits der Amtskirchen. Wir tauchen in eine interessante Vergangenheit ein und lernen viel von Alltag der Menschen damals und heute. Wir treffen Menschen, die deutsch sprechen und uns viel von sich erzählen.
Durch die Kirchenburgen besuchen wir kleine Ortschaften, können dort oft sogar übernachten. Ohne diese wären wir vorbeigefahren. Wir lernen das Leben hier ein wenig kennen.
Im Ort Agnita finden wir eine Übernachtungsmöglichkeit. Unser Abendessen können wir sogar aus einer dreisprachigen (rumänisch/englisch/deutsch) Speisekarte auswählen.
Das kleine Hotel ist neu, davor steht ein Porsche Cayenne. Kann mir nicht vorstellen dass so ein Auto und Haus durch die Einnahmen erwirtschaftet werden. Gibt wohl noch andere Wege der Geldbeschaffung.
Am nächsten Morgen ist es bewölkt und kühl, doch bald kommt die Sonne durch. Meine Beinlinge bleiben wieder in der Fahrradtasche.
Unsere Überlandfahrt geht weiter Richtung Sibiu. Wir sehen in der Ferne erstmals den schneebedeckten Gebirgskamm der Karpaten. Ich versuche nicht daran zu denken, dass ich diesen in der nächsten Zeit überqueren werde.
Wir fahren weiter durch das weite Harbach-Tal. Früher fuhr hier die Wusch, eine Schmalspurbahn. Doch von ihr geblieben sind nur überwachsene Gleise.
Es ist eine schöne Landschaft. Das Fahren bringt Spaß. Eine Fahrradgruppe von Wickinger-Reisen kommt uns entgegen. Im Ort Altina wird am Bürgermeisteramt ein LKW mit Mehl abgeladen. Es ist eine Hilfslieferung der EU und soll an die armen von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen verteilt werden.
In der kleinen Ortschaft Hosman/Holzmengen finden wir eine private Unterkunft mit Vollpension. Ein Restaurant gibt es nicht im Ort.