4681 km
Die Sonne heizt mich schon am Morgen auf. Fahre die Mur stromab. Bin leider kein Fischlein, dann würde es nur bergab gehen und für Kühlung wäre gesorgt. Der Radweg nutzt die Hanglagen auf beiden Seiten des Flusses. Mittags mache ich auf einer Bank ein kleines Schläfchen. Hinterher bin ich ausgeruht, die Temperatur ist aber weiter gestiegen. In Judenburg esse ich ein Steierer Becher Eis – Vanilleeis mit (Kürbis-)Kernöl. Die Steiermark ist das Kürbisanbaugebiet Österreichs. Bin an diversen Kürbisfeldern vorbeigefahren.
In der Eisdiele tausche ich das mittlerweile heiße Wasser der Trinkflasche gegen kaltes und fahre die letzten Kilometer zum 50plus-Campingplatz. Der Zusatz treibt den Übernachtungspreis in die Höhe. Mehr Komfort ist nicht angesagt. Habe gerade mein Zelt aufgebaut, da setzt ein Sturm mit Regen ein. Die düsteren Wolken kündigten ihn bereits an. In einem Unterstand verbringe ich das kleine Unwetter. Danach ist es etwas kühler.
Esse ein erstaunlich gutes Abendgericht in einem nahen Landgasthof. Bin müde durch die Hitzefahrt. Verziehe mich früh ins Zelt.
Am nächsten Morgen ist der Himmel bewölkt – wie schön. Es ist angenehm warm, aber nicht heiß. Das Fahren bringt Spaß und strengt nicht an. Anfangs ist das Murtal breit. Getreide und Maisfelder säumen den Weg. Viele Scheunen mit ihren spitz zulaufenden und mit Ziegeln verkleideten Fenstern lassen diese wie Kirchenschiffe aussehen.
Das Tal ist relativ dicht besiedelt von kleinen und größeren Orten. Im gebirgigen Österreich sind die Täler die Transportwege. Je enger das Tal, desto mehr drängeln sich Eisenbahn, Autobahn, Straße und die Fahrradwege. Kurz vor Bruck wird auch das Murtal eng. Schön zwischen den Verkehrswegen liegt mein Campingplatz. Dank Oropax habe ich gut geschlafen.
Am nächsten Morgen bemerke ich an meinem Fahrradschloss einen nächtlichen Angriff – zum Glück laienhaft. Hatte es am Abend – etwas abseits vom Zelt – mit zwei Schlössern am Fahrradständer und einem weiteren Metallgitter befestigt. Das leichtere biegsamere Schloss war an-, aber nicht durchgeschnitten. Das stabilere ist heil geblieben. Nehme es als Hinweis große Sorgfalt bezüglich Sicherheit walten zu lassen. Bin bisher eher lax damit umgegangen.
Entgegen der Vorhersage ist der Himmel am Morgen wieder bewölkt. Freue mich darüber, denn die Hitze lässt mich nicht nur schwitzen, sie raubt auch meine Energie.
Der Sturm vom Vortag hat deutliche Schäden hinterlassen. Viele Bäume sind umgeknickt. Das beschädigte Wahlplakat der SPÖ „Stürmischen Zeiten“ zeigt die leeren Worte der Politiker.
Das Tal bleibt eng und bewaldet. Die Fahrt geht auf schönen kleinen Wegen nicht allzu sehr in die Höhe. Die Autobahn verschwindet in den Berg. Die Mur und auch die anderen Flüsse sind schnellfließend mit – trotz der Trockenheit – viel Wasser. Da verschwinden in den Höhen wohl die Gletscher. An schmalen Abschnitten wird die Mur zu einem langgezogenen See mit Staudamm für die Stromerzeugung.
Manchmal kommen mir Radreisegruppen entgegen. Sie werden mit Bus und Anhänger zu schönen Abschnitten gefahren und dann losgelassen. Die Kirchen sehen von außen schlicht aus. Drinnen sind sie fast erdrückend überladen. Viel Arbeit für den, der staubwischen muss.
Nach etwa 60 km komme ich am Nachmittag in Graz – der Hauptstadt der Steiermark an.