Aug 082012
 

113. Reisetag

6749 km

 

Der Schalter ist auf Rückenwind gestellt. Das Radlerherz ist voller Freude.

Quebec hat mir von allen besuchten Städten am Besten gefallen. Es mag mit an der schönen Unterkunft und dem Hafenblick gelegen haben.
Mit der Fähre setzte ich am Morgen auf die Ostseite des Sankt Lawrence Stromes über. Für mich beendet eine Fährfahrt einen Abschnitt klarer als die sonstige Weiterfahrt auf der Straße.

Auf bestem Radweg geht es die ersten 10 km weiter, dann folgt der breite Randstreifen der Straße – immer dem Strom entlang. Auch hier zieht ein Expresshighway den Durchgangsverkehr ab. Oft werde ich per Hinweis auf kleinere Straßen geführt oder sogar auf Radwege. Das Ufer ist nicht zugebaut. Ich genoss den Weitblick über den Strom und die Ackerflächen. Jedes Gehöft hatte seine weit sichtbaren Silos.

Die Berge sind ins Hinterland versetzt. Ab und zu ragen die bewaldeten Steinrücken des kanadischen Schildes aus der Flussebene empor. Manchmal musste ich diese auch überqueren.

Viele Künstler versuchen in Läden und Ständen ihre Sachen zu verkaufen. Große Kirchen stehen in kleinen, oft schönen Orten. Vermehrt traf ich Fahrradtouristen, die für kürzere Zeit unterwegs waren. Campingplätze gab es viele und zu vernünftigen Übernachtungspreisen. Im Zelt konnte ich wieder gut schlafen. Meine Temperatur musste ich nicht mehr mit nassem Handtuch auf dem Bauch oder Ventilator regulieren. Es war wie Urlaub.

Am zweiten Tag erreichte ich Rivere de Loop, eine größere Stadt mit knapp 15.000 Einwohner. Meine letzte Station am Sankt Lawrence Strom. Das gegenüberliegende Ufer ist kaum noch zu sehen. Ebbe und Flut machen sich bereits bemerkbar. Es roch nach Meer. Hatte das Gefühl ich hätte den Atlantik bereits erreicht. Aber mein Weg geht jetzt wieder ins Binnenland.

Mücken gibt es in diesem Jahr sehr wenig – so wurde mir erzählt. Der Sommer war zu heiß mit wenig Feuchtigkeit. Sollte mir recht gewesen sein. Nur einige Tage um den Lake Superior herum hatten sie mich ernsthaft geplagt.
Die Hitze scheint vorbei zu sein. Viele Wolken sind am Himmel und der Wetterbericht sagt ab und zu Schauer an.

In der letzten Nacht setzte kurz nach dem ich mich ins Zelt verkrochen hatte ein lang anhaltener Regen ein. Schlagartig war es auf dem Zeltplatz ruhig. Sonst ist der Lärmpegel recht hoch. Zu jedem Platz gehört eine individuelle Feuerstätte, davor wird gesessen und geschwatzt.

Meine Wale-Watching-Tour heute war wenig spektakulär. Hatte nur in der Ferne die Rücken von weißen Beluga-Wale gesehen. Sonst gab es viel Nebel und ich hatte kalte Füße. Ein kaum sichtbares Frachtschiff ließ in kurzen Abständen sein Nebelhorn erklingen. Hatte damit eventuell die Wale vor uns gewarnt.
Bei der Menge von 80 Leuten auf dem Schiff freue ich mich bereits auf meine Weiterfahrt morgen – alleine.

Die Verständigung wird bereits schwieriger. Englisch wird von vielen Älteren kaum gesprochen. Hinweise sind nur noch auf französisch.

Aug 052012
 

110. Reisetag

6524 km

40.023 Höhenmeter

 

Eine Überraschung am Morgen. Es regnete als ich aufwachte, der Himmel wolkenverhangen.
Meine Regensachen kamen nicht zum Einsatz. Es war nur ein Schauer. Der Wind blies von hinten. Der Fahrspaß war wieder da.

Montreal konnte ich auf einem Fahrradweg verlassen, der mal gut/mal schlecht ausgezeichnet mich bis Quebec-City (Hauptstadt der Provinz Quebec) leitete. Meist auf der wenig befahrener Straße mit breiten Seitenstreifen. Ein parallel verlaufender Expresshighway nimmt den Durchgangsverkehr auf. Der mächtige Sankt Lawrence Strom wird mich in den nächsten Tagen begleiten und führte mich ich durch eine weite fruchtbare Ebenen. Mais und Sojabohnen dominieren, wohl alle genmanipuliert. In Kanada scheint man stolz auf diese Technik zu sein, denn Schilder weisen am Feldrand auf die entsprechenden Sorten hin.

Am Nachmittag verdunkelte sich der Himmel. Ich stand gerade vor einer Gite Auberge (Bed und Breakfast-Pension) als ein heftiger Schauer einsetzte. Es war ein Haus, gebaut um 1900, voller Antiquitäten. Ich bekam vom (hageren) Hausherrn ein stilvolles Zimmer zugewiesen. Das Frühstück am nächsten Morgen war so angerichtet wie man es nur erhalten kann, wenn einer es mit Begeisterung zubereitet. Jede Traube hatte ihren vorgesehenen Platz. Jetzt weiß ich auch weshalb seine kleine Frau kugelrund ist.

Über Tag wieder bei angenehmen Rückenwind gefahren. Die Nacht verbrachte ich auf einem Campingplatz mit netten Kontakt zu den Zeltnachbarn. Es waren zwei Brüder aus Toronto. Der eine fuhr Fahrrad, der andere transportierte mit dem Auto das Gepäck.

Ich dringe tiefer in die Provinz Quebec ein und bemerke Unterschiede. Im Gegensatz zu den Orten im englischsprachigem Raum haben die Dörfer ihre eigene Architektur und ihren individuellen Touch bewahrt. Bunte Häuser in fröhlichen Farben bestimmen das Bild. Jedes noch so kleine Dorf wird überragt von einer gewaltigen Kirche, der hier überwiegend katholischen Einwohner.
Am Straßenrand werden von den Farmern Früchte und Gemüse aller Art angeboten.

Am dritten Tag erreichte ich Quebec-City. Die Berge reichen jetzt bis an den Strom heran. Die Indianer hatten diese Stelle kebec („wo der Fluss enger wird“) genannt.
Eine damals strategisch wichtige Position um hier eine Stadt zu gründen.

Heute ist Quebec eine der lebendigsten und ältesten Städte Kanadas. Ein Teil der wunderschönen historischen Altstadt, die man durch die alten Stadttore betritt, steht heute auf der Unesco Liste des Weltkulturerbes. Ich genieße das Schlendern durch die engen Gassen mit bunten Häusern, in denen phantasievolle Restaurants und stilvolle kleine Hotels untergebracht sind. Die Stadt vermittelt französisches Lebensgefühl pur: Allerortens flaniert man, schaut den Straßenkünstlern zu oder lässt ein leckeres Essen servieren. Alles wird überragt vom riesigen mittelalterlich anmutenden Pracht-Hotel „Chateau de Frontenac“, das wie ein Märchenschloss aussieht. Inmitten der Oberstadt auch die riesige Zitadelle, von der aus man einen tollen Blick über die Stadt und den Fluss hat!

An diesem Wochenende finden die Festtage „Remontez le temps“ statt. Viele Einwohner sind entsprechend gekleidet. Theater- und Musikeinlagen werden auf den Straßen und Plätzen angeboten. Die Stadt ist voller Touristen.

Ich wohne für drei Nächte in einem kleinen Hotel in der Altstadt mit Blick über den Hafen. Von der Hotelterrasse aus kann ich am Abend die Lightshow auf dem langen Hafensilo sehen, anschließend ein Feuerwerk à la „Rhein in Flammen“.
Mein Abendessen nehme ich diesmal auf der Terrasse ein, mit Baguette, Wein und Käse. Auch der Käse scheint hier besser zu schmecken als in den anderen Provinzen.

Über Tag ist es heiß und schwül. Hoffentlich kommt am Abend ein Donnerwetter.
Nachtrag: Es hat heftig geregnet.

Leider werden die Fotos im Blog am Rand immer abgeschnitten.