Aug 302012
 

135. Reisetag

8207 km

 

Der Regen prasselte, der Wind heulte und das Meer rauschte. Dazu noch wirre Träume. Richtig ausgeschlafen war ich nicht. Der Regen hörte gegen Morgen auf. Der Wind blies noch kräftig. Ich verzog mich zum Frühstücken wieder in den Wäscheraum.
Das Zelt verpackte ich nicht ganz trocken.

Die Auseinandersetzung mit der Naturgewalt Wind ging weiter. Er kam von Westen. Meine Richtung war der Norden. Mal schob er mich (häufiger), mal kämpfte ich gegen ihn. Musste mein Steuer fest in die Hand nehmen um auf der Straße zu bleiben. Am Vormittag fegte der Wind die Wolken fast weg, nachmittags kamen diese jedoch mit einem kurzen Schauer zurück. Ich war mir nie ganz sicher ob es gleich wieder regnen würde.

Neben mir das aufgewühlte Meer, die Brandung und die Steilküste. Auf der anderen Straßenseite die höher werdenden Berge. Hatte häufig eine weite Sicht über Meer und Küste. Das Umfeld war rauer geworden. Das Fahren machte trotz Anstrengung Spaß.

Mir ist etwas kalt. Die Temperaturen waren über Nacht gesunken. Werde zum ersten Mal seit Monaten am nächsten Tag Stiefel anziehen.

Ich fahre jetzt auf dem Cabot Trail. Eine Straße für anspruchsvolle Radler. Am Abend baute ich mein Zelt in der Nähe von Cheticamp in dem Cape Breton Highlands National Park auf.
In der Region um Cheticamp leben wieder die Acadians. Es wird französisch gesprochen und es gibt wieder die große Kirche mit dem silberglänzendem Dach.

 

Die Nacht verlief weitgehend ruhig, wenig Wind und kein Regen. Am Morgen machte ich mich startklar für die Berge. Zunächst im steilen Auf und Ab an der Küste entlang. Dann in 4 km auf 400 Höhenmeter. Der Wind half mir in dieser steilen Stunde. Er blies heftig von hinten. Auf der Höhe angekommen, stoppte ich für einen zweistündigen Trail. Mein Rad und Gepäcktaschen schloss ich an ein Schild an. Habe in Kanada keine Angst dass irgendetwas wegkommt. Der Wandertrail ging über das Hochlandplateau in ca. 450 m Höhe. Die kärglichen Bäume waren mit Flechten überzogen. Häufig standen nur noch die Gerippe. Dieses Gebiet ist ein Elchgebiet. Ich hatte Glück. Nicht weit vom Weg entfernt stand er und nahm sein Mittagessen in Form von Tannengrün ein.

Der Wanderweg führte weiter an den Rand des Plateaus mit Weitsicht über das Meer. Der Wind blies heftig. Ich konnte kaum stehen.

Die heutige kurze Radfahrt (36 km) endete mit einer steilen Abfahrt auf Meeresniveau. Musste sehr auf den Seitenwind achten, damit er mich nicht umwirft.
Im kleinen Ort Pleasant Bay gibt es eine kleine Jugendherberge. Dort verbrachte ich die Nacht.

Aug 282012
 

133. Reisetag

8096 km

 

Es war fast dunkel. Hatte mich gerade ins Zelt verkrochen und Licht ausgemacht. Da hörte ich: „Hallo German Biker, do you want a glas of wine“. Ein entfernter Zeltnachbar lud mich zu einem Glas Wein ein. Freudig sagte ich zu, denn die Müdigkeit war noch nicht so richtig da.

Hatte diese Nacht ein T-Shirt anbehalten. Es wurde mir damit nicht mehr kalt. Am Morgen war sogar das Zelt trocken. Auf der Wiese merkte ich je näher ich dem Wasser kam, desto nasser wurde alles. In Zukunft muss ich überlegen ob ich es möchte: Schöner Blick übers Wasser am Abend und nasses Zelt am Morgen.
Bei der Weiterfahrt an einem kleinen Laden angehalten. Hoffte noch etwas mehr Obst kaufen zu können. Keine Chance. Es gab nur diverse Chipsorten, Süßigkeiten, Cola & Co sowie einige Konserven. Werde meine noch vorhandenen 4 Äpfel und 3 Bananen gut einteilen. Ich weiß nicht wann die nächste richtige Einkaufsmöglichkeit kommen wird.

Auf wenig befahrener Straße und schönem Wetter den Küstenbogen gefahren, bis zu einem längeren Damm, der mich über die (Wasser-)Straße von Conso brachte. Diese trennt Cape Breton Island vom Festland. An der Touristeninformation Materialien eingeholt und losgefahren. Da sah ich von der Straße aus einen Hinweis mit dem Symbol des TCT. Es gab einen gut ausgebauten ehemaligen Bahndamm als Multi-Use-Way.

Freute mich und ärgerte mich über die Informationen im Touri-Büro. Kein Wort davon, obwohl ich auf meine Radtour hingewiesen hatte. Schade, auch im Internet sind die Informationen zu den vorhandenen Trailstrecken kaum vorhanden. Dabei kann ich mir als Radfahrer kaum etwas Schöneres vorstellen.
Die Steigungen waren gering. Meist konnte ich übers Meer blicken.
Die regelmäßigen Kilometerangaben auf dem Trail störten mich. Sie wiesen auf die Endlichkeit dieser schönen Wegstrecke hin.
Fuhr durch die altbekannte Landschaft, angereichert durch die Küste und das Meer. Fuhr über Dämme durch die tief ins Binnenland reichenden Lagunen. Die Ebbe zog das Wasser gerade hinaus. Immer wieder überquerte ich Flüsse. Die Brücken der alten Eisenbahn waren noch vorhanden. Vereinzelt sah ich Häuser. 50 km ging es entlang der Küste. Dann bog der Trail wegen einer größeren Landzunge ins Binnenland ab. Sobald ich eine Höhe von ca. 100 m erreicht hatte fuhr ich an einem Fluss entlang wieder Richtung Meer. Nahe einer Bucht sollte der Zeltplatz sein. Zum Glück hatte ich einen Quadfahrer gefragt, denn dieser war ohne irgendwelche Hinweise weit abseits vom Trail. Am Morgen vielen die ersten Regentropfen. Der Wetterbericht hatte für den Dienstag kräftige Schauer vorausgesagt. Konnte das Zelt aber trocken abbauen. 3 km fuhr ich zurück um wieder auf den Trail zu kommen. Es ging über Dämme entlang und über eine Lagune. Fuhr mit leichter Steigung in die Berge, dort auf einen Damm durch eine Sumpfebene – mit Weitsicht auf die umliegenden Berge.
Es wurden insgesamt 90 km Trail. War nur zwei Quadfahrern begegnet. Die Menschen brausen lieber mit ihren Autos auf der Straße.

Im Ort Inverness – wieder an der Küste – war die schöne Fahrt beendet. Der letzte Zug hatte 1975 diesen Ort verlassen. Dank der Kohleminen wurde die Strecke dorthin 1905 gebaut.

Am Ortseingang fragte ich ein Ehepaar nach dem Campingplatz und wo es was zu essen geben könnte. Sie luden mich in ihr Haus zum Essen ein. Kaum dort angekommen gab es einen kräftigen Regenschauer. Es war noch früh, 12 Uhr mittags. Wegen der schlechten Wettervorhersage wollte ich in diesem Ort bleiben. Zu meiner Freude gab es hier einen kleinen Supermarkt mit Obst. Mein Müsli ging ebenfalls zur Neige. In meiner Karte war dieser (etwas größere) Ort eingetragen wie einer, der nur aus ein paar Häusern bestehen kann.
Der Zeltplatz war direkt an der Küste. Ab 16 Uhr begann es zu regnen. Ich verzog mich in einen Raum mit Waschmaschinen, Tisch und Strom.

 

Aug 262012
 

131. Reisetag

7958 km

 

290 Jahre zu spät angekommen. Sonst könnte es toki nova heißen. Die Schotten waren schneller. 1723 erreichten sie Pictou, dem Anlegeort der Fähre.
Ich bin jetzt in Nova Scotia angekommen. Meine weitere Strecke wird entlang der Küste Richtung Osten gehen.

In der Nähe des Fähranlegers gab es einen Supermarkt. Für zwei Tage im Voraus versuche ich immer Lebensmittel dabei zu haben. Diese sind recht teuer in Kanada. Ein Hohn ist es, wenn ich durch meinen Einkauf mir 8 Flugmeilen gutschreiben lassen kann.
Zum nächsten Zeltplatz musste ich vier km in Gegenrichtung fahren. Mit Blogschreiben den späten Nachmittag verbracht.

Morgens weckte mich die Sonne im Zelt. Beim Verlassen des Zeltplatzes fiel mein Blick auf die Schornsteine einer Pulp-Fabrik. Musste in der Nähe vorbeifahren. Die Luft roch nach Pipi.
Den ganzen Tag entlang der Küste geradelt. Die Straße windet sich um jede kleine Bucht. Es gibt viele davon und tiefe breite Einschnitte von Flussläufen. Auf der Karte nach 70 km Straßenfahrt kaum vorangekommen. Kein Problem, an diesem Tag wollte ich nur einen bestimmten Campingplatz erreichen. Diesmal wieder einen Platz direkt am Wasser erhalten. Es wehte ein steifer Nordwest-Wind. Wenn dieser bis zum nächsten Tag anhält trifft er mich von der Seite hinten. Tut er aber nicht. Will jetzt nicht mehr schlecht über den Wind schreiben, vielleicht beruhigt er sich. So hatte er am Abend mit einer steifen Prise mir die Mücken vom Leibe gehalten. Am Morgen schlugen diese aber bei annähernder Windstille erbarmungslos zu. Bis ich die Gefahr erkannt hatte waren schon viele Stiche an den Beinen plaziert.

Bei schönstem Wetter und frischer Luft, ging es weiter entlang der Küste – diesmal gab es keine tief ins Land reichende Buchten. Das Fahren machte mir richtig Spaß.
Ein trockener Waschbär lag neben der Straße. Der wenige Verkehr hatte ihn erwischt. Nur alle ca. 5 Minuten fuhr ein Auto an mir vorbei.
Das Eichhörnchen war kleverer.
Die Lobsterfallen werden mit Gammelfleisch gefüllt. Die Lobsterpreise sind aber im Keller, wurde mir erzählt.
Die Ortsnamen auf den Schildern sind hier englisch und gällisch.
Mitten in der Einsamkeit hörte ich einen Dudelsack. Hatte angehalten und zugehört. Die Familie kam dazu, einen Plausch gehalten. Mir wurde ein Glas Orangensaft angeboten und einige Muffins mit auf dem Weg gegeben. MacDonald ist der häufigste Familienname in der Region, so hieß auch diese Familie.

Der Blick über die Weite des Meeres wurde immer schöner, je höher die Straße mich führte. (Fuhr aber auch oft wieder runter.) Er erinnerte mich an die Sicht auf die Schneeberge in den Rocky Mountains und löste ähnliche Gefühle in mir aus. Am Cape George in ca. 100 m Höhe steht ein Leuchtturm. Lange hatte ich davor auf einer Bank gesessen und aufs Meer geschaut.
Ein Traum wäre es gewesen dort einen Wal zu sehen. Noch wurde mir dieser Wunsch nicht erfüllt.

In einem ständigen Auf und Ab ging es weiter zum Campingplatz in Antigonish. Die vorhanden Campingplätze bestimmen zur Zeit meine Wegstrecke. Den Abend mit den Zeltnachbarn vorm Feuer verbracht. Sie wohnten nur ca. 15 km entfernt, hatten aber Lust zum Zelten.
In der Nacht wurde es im Zelt bereits kühler. Sollte der Sommer vorbei sein? Am Morgen triefte das Zelt vor Taunässe.
Hatte an diesem Tag keine weite Strecke vor mir. Ließ es weitgehend in der Sonne trocknen und machte mich gemütlich auf den Weg zum nächsten Übernachtungsplatz. Musste leider 15 km auf einem stark befahrenen Highway zurücklegen bis ich wieder auf eine kleinere Straße abbiegen konnte.

Aug 232012
 

128. Reisetag

7752 km

 

Für Fußgänger und Fahrradfahrer verboten. Ich hatte mich vorher informiert und war nicht erschrocken. Es gibt einen Shuttleservice, der mich und mein Fahrrad beförderte.
Die Brücke mit 13 km Länge ist die längste Brücke über eine zeitweise mit Eis bedeckte Wasserfläche – so heißt es. In wärmeren Gegenden muss es also eine noch längere geben. Ein Blick auf die Wikipedia-Seite zeigte mir, dass es in China mit 36 km eine längere über das Meer gibt.

Diese Brücke mit dem langweiligen Namen „Confederation Bridge“ verweist auf die Charlottetown-Konferenz im Jahr 1864 in Charlottetown, der Provinzhauptstadt von Prince Edward Island, bei der die Grundlage für die Kanadische Konföderation gelegt wurde.

Ich bin jetzt in der kleinsten Provinz Kanadas angekommen, auf der Prinz Edward Island oder kurz PEI, wie sie hier genannt wird.
Die Insel ist unterteilt in West, Mittel und Ost. Und wie heißen die Abschnitte wohl? Prince, Queen und King – kein Kommentar dazu.
Bei der Ankunft Informationen im Touristenbüro eingeholt. Diesmal waren sie so, wie ich es mir wünschte. Es gibt den TCT auf alten Schienenwegen, vorbildlich in einer kleinen Broschüre beschrieben. Ich kann die Insel fast nur auf dem Trail durchfahren.

Die Nacht verbrachte ich auf einem Zeltplatz ganz in der in der Nähe meiner Ankunft. Am Abend gab es dort eine Musikveranstaltung. Country Musik gespielt/gesungen von drei Musikern mit Einlage eines Chores. Ich war einer der jüngeren Zuschauer.

In der Nacht regnete es sehr heftig, mit entferntem Donner. Mein Becher auf dem Tisch war am Morgen ca. 3 cm mit Wasser gefüllt. Wegen des Regenlärms nicht sonderlich gut geschlafen. Am Morgen war es wieder trocken. Eigentlich nicht schlecht für mich der nächtliche Regenrhythmus. Der Trail begann gleich hinterm Zeltplatz. Ohne nennenswerte Steigungen konnte ich die hügelige Landschaft durchfahren. Der Trail war in einem sehr guten Zustand. Für mich bedeutete es ein gemütliches Fahren, in einer Landschaft wie bereits oft gesehen. Also fast ein wenig langweilig.

Es gab viel Landwirtschaft, diesmal häufig mit Kartoffelfeldern. Die Erde war rot gefärbt. Im Gegensatz zum Festland durchzog ein enges Straßennetz die Insel.

Am Nachmittag erreichte ich die Provinzhauptstadt Charlottetown. Eine kleine Stadt mit einigen schönen älteren Steinhäusern und den üblichen Holzhäusern.
Die Jugendherberge war voll, wurde aber an eine kleine B&B-Pension vermittelt. Auch hier wieder eine runde Frau und ein Mann der die Arbeit machte.
In Charlottetown machte ich einen Tag Pause, Sightseeing, Blog schreiben und ausschlafen.

 

Weiter ging es auf dem Trail bei schönstem Wetter mit wenigen Steigungen. Wäre ich nicht schon so lange durch diese Landschaft gefahren würde ich sie schön finden. Die Weitsicht über die Sumpf- und Wasserflächen genoss ich aber. Das üppige Isländische Moos erinnerte mich an meine Modelleisenbahn. Damit hatte ich die Landschaft „bepflanzt“.

Habe einen Zeltplatz, etwas duster im Wald, in der Nähe eines breiten Flussarmes gefunden. Diesmal gab es viele Geräusche, die mich nachts aufschreckten. Den Inhalt meinen Abfallbeutel musste ich am anderen Tag zusammensuchen.

Die Luft ist frisch, blauer Himmel. Der Tag lag vor mir. Was für ein Geschenk.
Eine Keil Wildgänse überflog mich mit Geschrei. Da merke ich, dass mein Fernweh noch nicht gestillt ist.

Es gab eine Lücke im Trailnetz. 25 km Fahrt auf der Straße war angesagt. Es ging von Seelevel auf 130 m hoch und wieder runter, in einer ständigen Wellenbewegung. Der Wind hatte was gegen mich. Er kam aus dem Süden, ich fuhr gen Süden. Auf dem Trail konnte er mir nicht beikommen. Ich fuhr langsamer und häufig waren am Wegrand schützende Bäume und Büsche.

Die Insel verließ ich diesmal mit der Fähre. Dort reihte ich mein Fahrzeug entsprechend ein. Nur hatte ich keine Beifahrerin. Für die 22 km benötigte die Fähre ca. 1 h.