Nov 172013
 

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195. Reisetag

7824 km

 

Der Stacheldrahtzaun im Grenzgebiet zur Türkei ist nicht zu übersehen. Früher war es der Eiserne Vorhang. Heute grenzt sich damit die EU ab. Es ist die gleiche Grenzbefestigung, etwas verrostet. Löcher sind mit neuem Stacheldraht ausgebessert. Bulgarien ist ein Grenzstaat für die EU. Es hat dafür zu sorgen, dass keine Unbefugten die Grenze überschreiten. Die illegalen Grenzüberquerer müssen laut EU-Recht erst einmal im Lande aufgenommen werden.
http://www.ardmediathek.de/das-erste/europamagazin/bulgarien-mauer-gegen-fluechtlingsstrom?documentId=17917366

Aber der Reihe nach. Sosopol verlasse ich bei stürmischem Wind. Das Meer ist aufgewühlt. Meist bläst der Wind seitlich auf mich. Die Windböen bringen mich ins Wanken. Auf der Küstenstraße nebelt die feine Gischt mich ein.
Ich mag es, wenn der Wind so richtig an mir zaust. Nur beim Fahrradfahren soll er nicht gegen mich gerichtet sein und das ist an diesem Tag nicht der Fall.

Die Küstenlandschaft ist hügelig und bewaldet. Felder sehe ich nicht. Sobald ein Sandstrand auftaucht durchfahre ich geschlossene Hotellandschaften. Und es wird weiter gebaut.

Am Nachmittag fängt es an zu regnen. Nicht von oben, von allen Seiten bläst der Wind die Regentropfen gegen mich. Es wird ungemütlich. Bedauere ein wenig, dass ich nicht noch einen weiteren Tag in meinem Zimmer mit Meerblick geblieben bin.

Meine nächste Unterkunft in Tsarevo liegt zum Glück nur 40 Kilometer weiter südlich an der Küste. Von hier aus fahre ich am nächsten Tag ins Landesinnere Richtung türkische Grenze. Einen Grenzübergang an der Küste gibt es nicht.

Es hat sich ausgeregnet, der Wind ist verschwunden. Ich fahre ins hügelige Innenland. Anfangs gibt es kleine Felder und Wiesen, dann bedecken nur noch Wald und Buschlandschaft die bergigen Hänge. Aus dem Wald steigt ein Geruch auf, der mich an meine alten Dominosteine von früher erinnert. Schwierig zu beschreiben. Der Duft der verschiedenen Kräuter in der Makia auf Korsika dürfte ihm am nahesten kommen.

20 Kilometer durchfahre ich die Hügellandschaft auf der Hauptstraße. Dann biege ich auf eine Seitenstraße ab. Sie soll mich über den Eurovelo 13 – dem Europaradweg entlang des Eisernen Vorhangs – bis zum türkischen Grenzübergang führen. Schilder dazu gibt es nicht. Auf meiner digitalen Karte sind viele Lücken, meist ist nur Waldlandschaft zu sehen. Habe versucht mir die Wegführung über Google-Maps einzuprägen. Aber auch dort ist der Weg nicht eindeutig zu finden. Versuche mein Glück.
Erst einmal fahre ich 250 Meter hinunter um einen kleinen Fluss im Ort Kosti zu überqueren. Erreiche fast wieder Meeresniveau. Nach einer kurzen Fahrt entlang des Flusses geht es in die Höhe. Der Weg wird steiniger. Ich habe das Gefühl als würde ich auf einer alten römischen grob gepflasterten Heerstraße fahren (so stelle ich sie mir vor). Werde fürchterlich durchgeschüttelt, merke meinen Hintern und der Sattel quetscht. Muss ihn unbedingt verstellen. So geht es ca. 30 Kilometer im Schneckentempo auf und ab. Manchmal muss ich über den Schotter bergauf schieben. Die Temperaturen für mich wechseln bei 11 bis 14 Grad von heiß und verschwitzt bei der Bergfahrt und kalt beim Herunterfahren. Meinen Anorak ziehe ich aus und an.

Die alten Grenzanlagen des Eisernen Vorhangs tauchen auf, in gerader Linie durchquert der Stacheldrahtzaun die Waldgebiete. Jetzt sind es die neuen Grenzbefestigungen. Nur im umgekehrten Sinne. Es soll keiner hineinkommen. Der Eiserne-Vorhang-Weg regt zum Denken über die alten, aber auch die neuen Grenzen an. Hier wird man direkt damit konfrontiert.

Eine längere Strecke fahre ich auf dem Eurovelo 13. Dann nicht mehr und ich stoße auf die Hauptstraße an einer anderen Stelle als geplant. Frage mich ob der Grenzweg überall die Planungsphase bereits verlassen hat. Ich bin sicher, dass ich keine Abzweigung übersehen habe.

Nach 60 Kilometer und 1250 Höhenmeter erreiche ich am Nachmittag ermüdet den Grenzort Malko Tarnovo. Die Temperatur ist bereits auf 6 Grad gesunken und mir ist kalt. Es gibt ein Schlafmöglichkeit mit warmer Dusche. Das Zimmer ist beheizt. Kann die Wärme am Abend gut ab. Den nächsten Tag bleibe ich noch. Überhole mein Fahrrad und schreibe den Blog. Obwohl die Unterkunft kein WLAN hat komme ich – wie schon oft – über eine freie Verbindung ins Netz.

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